Die Fabel vom Hund und der Eselin*

Reiner Ponschab /
Wissenswertes

Als sich die Eselin und der Hund trafen, war es Liebe auf den ersten Blick. Nachdem die Liebe ein Jahr gehalten hatte, beschlossen beide, zu heiraten und veranstalteten zu ihrer Hochzeit ein rauschendes Fest, bei dem die Hochzeitsgäste das Glück der Beiden bewundern konnten.

Als die Hochzeit vorbei war, zogen Hund und Eselin in den Wald und bauten sich eine wunderschöne Hütte, wo sie ihr ganzes Leben verbringen wollten. Nachdem eine Zeit vergangen war, wollte der Dachs, der das Glück des Paares als Trauzeuge besiegelt hatte, das strahlende Paar besuchen, um sich von der Fortdauer ihres Glückes zu überzeugen. Doch was er fand, war ein Bild des Jammers: Eselin und Hund waren abgemagert bis auf die Knochen, geschwächt und voll tiefer Traurigkeit. Als der Dachs dieses Elend sah, konnte er es zunächst nicht glauben, denn er hatte immer noch das Bild des strahlen Hochzeitspaares vor sich. So wollte er denn, um den Beiden zu helfen, herausfinden, was ihnen widerfahren war. 

Zunächst fragte er die Eselin, warum denn ihr Mann so abgemagert und krank sei. Darauf antwortete die Eselin: „Ich weiß nicht, was mit meinem geliebten Mann los ist, denn ich besorge ihm immer das beste Heu und die wunderbarsten Disteln.“

Nun fragte der Dachs auch den Hund, warum es denn wohl seiner Frau so schlecht ginge. Der Hund entgegnete: „Ich bin völlig verzweifelt. Sie wird immer magerer und trauriger, obwohl ich ihr immer das beste Fleisch vom Wild bringe, das ich im Wald jage.“

Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass Menschen meist Anderen das geben wollen, was ihnen selbst besonders gefällt? Gerade jetzt in der Weihnachtszeit zeigt die Wahl der Geschenke oft, wie wenig sich der Schenker mit den Wünschen des Beschenkten befasst hat. Die Kunst, sich in die Person eines anderen zu versetzen, wie er/sie zu denken und zu fühlen, bezeichnen wir als Perspektivenwechsel, oft auch als Empathie im Sinne von Mitgefühl (nicht Mitleid). Die Kunst des Mediators besteht häufig darin, die Parteien zu bewegen, Dinge aus der Sicht der anderen Seite zu sehen. Erfolgreiche Verhandler berichten immer wieder, dass ihr Erfolg auch dadurch zustande kommt, dass sie es verstehen, dem Verhandlungspartner zu zeigen, dass sie die Welt auch aus seiner Perspektive betrachten können.

*gefunden bei Ed Watzke, „Wahrscheinlich hat diese Geschichte gar nichts mit Ihnen zu tun“, Godesberg, 2008

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