Kostenfreier Ratgeber – Konfliktwerkzeug: Klärung braucht Zeit und (Ruhe)
Die Wirtschaftsmediator*innen der Kanzlei Ponschab + Partner haben in ihrer Werkzeugkiste gekramt und stellen Ihnen 15 – in der Praxis bewährte – Konfliktwerkzeuge zur Verfügung. Heute stellen wir Ihnen das sechste Konfliktwerkzeug vor: Klärung braucht Zeit und Ruhe (Text von Brigitte Santo).
Ich kann es kaum glauben. Ein zorniger Lieferant hat mir gerade eben am Telefon mitgeteilt, dass mein Mitgeschäftsführer unseren Rahmenvertrag gekündigt hat und ich wusste nichts davon. Ich bin so richtig schön in Fahrt, gehe direkt in das Büro meines Geschäftspartners und möchte ihm ordentlich die Meinung geigen.
Als er mich wütend an der Tür stehen sieht, ist ihm sofort klar, was los ist. Er sagt: „Bitte lass‘ uns darüber morgen Vormittag in unserem gemeinsamen Jour Fixe sprechen. Das Thema ist uns beiden wichtig, ich bin müde und muss bald gehen. Ich möchte das nicht zwischen Tür und Angel mit Dir diskutieren.“ Vollbremsung aus voller Fahrt: Ich bin sauer und gleichzeitig verwirrt. Wie kann er nur. Ich will ihm jetzt meine Meinung sagen!
Ich packe meine Tasche und verlasse die Firma. Mit jedem Kilometer, den ich in meinem Auto zurücklege, wird meine Wut kleiner und mein Verstand bekommt wieder Raum. Der Hormoncocktail, den die Stresssituation ausgelöst hat, baut sich ab und mein Frontalhirn übernimmt die Regie. Die Aussage meines Partners, dass ihm das Thema wichtig ist und er sich dafür Zeit nehmen will, dringt erst jetzt richtig zu mir durch. Ich werde ruhiger und so langsam bin ich doch froh, dass er sich gerade nicht auf einen Streit eingelassen hat.
Erstmal Adrenalin abbauen: In hochemotionalen Situationen sind wir nicht wirklich Herr oder Frau unserer Sinne. Das gilt für große Verliebtheit gleichermaßen wie für starke Wut oder Trauer. Der Zugang zu unserem Verstand ist quasi blockiert oder die Gedanken fahren Achterbahn. Wir alle kennen das. Ein klares (oder klärendes) Gespräch zu führen, ist in solchen Momenten nicht möglich. Wenn wir eine Streiteskalation vermeiden wollen, ist es wichtig, erstmal Abstand zu suchen. Wir können spazieren gehen, das Adrenalin mit Sport abbauen oder mit einer Person sprechen, die neutral ist und einfach nur zuhört.
Klärung braucht (innere) Ruhe: Mein Mitgeschäftsführer war selbst noch aufgewühlt von dem Gespräch mit dem Lieferanten. Dazu war es bereits nach 18 Uhr und er hatte einen anstrengenden Tag hinter sich. Kein guter Zeitpunkt, um sich die Vorwürfe eines wütenden Partners anzuhören. Die Eskalation wäre so gut wie sicher gewesen. Das Gespräch zu vertagen und zwar verbindlich auf einen festen Zeitpunkt, war in dieser Situation das Beste, was er machen konnte. Mein Ärger war am nächsten Morgen nicht vollkommen verraucht, aber ich hatte genügend Distanz, um mir in Ruhe anzuhören, was der Grund für diese Entscheidung war. Und wir konnten gemeinsam klären, wie wir in Zukunft mit solchen Situationen umgehen.
Klingt trivial? Wenn wir einen Streit wirklich klären oder ein Problem lösen wollen, dann ist es notwendig, sich dafür Zeit zu nehmen. Zwischen Tür und Angel können wir Kleinigkeiten klären. Wenn es um mehr geht, dann sind wir gut beraten, gemeinsam und verbindlich einen Termin für das Gespräch, die Dauer und auch den Ort zu bestimmen. Den rechten Zeitpunkt zur Klärung zu wählen klingt erstmal trivial, ist jedoch schwieriger als wir vielleicht vermuten. Die Situation wird verfänglicher, je näher uns die Person steht, die unseren Alarmknopf gedrückt hat und je wichtiger das Thema für uns ist. Beobachten Sie sich selbst und prüfen Sie, wann Ihr Puls hochgeht und Sie sich kaum zurückhalten können. Achtsames Wahrnehmen hilft Ihnen, Ihre Reaktionsmuster noch besser kennen zu lernen und auch in hoch emotionalen Zuständen das Steuer schnell selbst wieder zu übernehmen.
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